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Markus Frei im St. Galler Tagblatt

Der rasende Pastoralassistent
«Manchmal muss ich mich fast rechtfertigen, dass ich das mache», sagt Markus Frei. Der Pastoralassistent von Andwil-Arnegg spricht vom Seifenkisten-Derby, das nächsten Sonntag in Andwil stattfindet und dessen OK-Präsident er ist. Er falle zwar nicht aus der Seifenkiste, wohl aber aus dem Rahmen, lacht er. Das genau hat auch mich auf die Spur des rasenden Pastoralassistenten gebracht: Unlängst stiess ich im Internet-Gästebuch der Brauerei Stadtbühl auf einen, der gestand, die Seite mache ihn gradewegs durstig. Es gab da weiter einen Hinweis auf die Homepage www.seifenkistenderby, und der Absender lautete: Markus Frei-Keller, Pastoralassistent + OK-Präsident 2. Seifenkisten-Derby Andwil-Arnegg. Lustig und aussergewöhnlich. Warum eigentlich? Weshalb unsere starre Vorstellung dessen, was sich für einen Kirchenmann geziemt?
Festen gehört zum Leben
Frei kennt solche Reaktionen, für ihn selber sind das Seifenkistenfest und die Kirche aber ganz und gar kein Widerspruch. Und es ist ja nicht nur das. Der Mann ist schon fast mehr als ein Geheimtipp als Stimmenimitator (Spezialgebiet Victor Giacobbo), letzten Samstag hat er am Nachmittag ein Paar getraut und ist am Abend am gleichen Fest als Kabarettist aufgetreten. Und er wurde auch schon mal als Pfarrermetzger angesprochen. Doch davon später. Der im Rheintal aufgewachsene Frei ist einfach ein kommunikativer Mensch, der offen auf andere zugeht. Die Kirche, sagt er, erlebe auch er manchmal als etwas verstaubt, da sei es wichtig, neue Wege zu suchen, bei den Leuten zu sein. «Mich trifft man auch in der Beiz am Stammtisch», sagt der bekennende Bierliebhaber, und er wundert sich leicht amüsiert darüber, dass in gewissen Pfarreien künstlich Stammtische organisiert werden. Feste seien doch in der Kirche wie im Alltag ein Thema. Überdies, lacht er dann, liege das Festen halt den meisten Rheintalern im Blut. Frei war unter anderem während neun Jahren Festwirt an der Widnauer Bundesfeier.
Von der Ebene ins Hügelland
Seifenkisten haben Markus Frei schon als Kind fasziniert, da wurden mit viel Engagement alte Kinderwagen auseinandergenommen. «Im Rheintal hatten wir nur das Handicap, dass man immer stossen musste, weil ja alles topfeben ist», erinnert er sich. So ists am Ende kein Zufall, dass so einer in Andwil gelandet ist? Welch wunderbar abschüssige Dorfstrasse! Und was für Kurven! Typisch Frei also, dessen Werdegang auch nicht unbedingt gradlinig war. Aufgewachsen ist er als Sohn des Mesmers in Widnau. «Das hat mich stark geprägt, die Kirche ist für mich Heimat. Als Kinder haben wir immer geholfen, ich hatte gute Vorbilder in Geistlichen, war Ministrant. Aber dass ich einmal ein solches Studium machen würde, habe ich mir damals nicht zugetraut», erinnert er sich.
Zuerst das Handwerk
Also wurde er Metzger. Und irgendwie ist er es auch geblieben. Während des Studiums arbeitete er an den Wochenenden und in den Semesterferien im Fleischverkauf bei der Migros, sodass einmal ein Kind, als es den Kirchenmann plötzlich mit der Metzgerschürze sah, den Begriff vom Pfarrermetzger prägte. Es ist also nicht so, dass Frei seine Berufswahl als Fehler erkannt und mit dem Studium korrigiert hätte. «Im Alten Testament waren die Priester auch Opferschlächter», holt er aus. «Ich habe einfach zuerst das Grobe, das Handwerkliche gelernt.» In Flawil, da war er schon Religionslehrer, wurde er einmal gerufen, um ein Schwein notzuschlachten. Auch habe es dort vor Jahren einmal eine Pfarreimetzgete gegeben, von der heute noch geredet werde. «Mein Beruf bringt auch sonst Vorteile», sagt Frei. In Andwil und Arnegg gebe es viele Bauern, zu denen habe er durch seinen ersten Beruf einen direkteren Draht. Er interessiere sich auch nach wie vor für die Fleischpreise. Das handwerkliche Können des Metzgers habe er sich erhalten, er arbeite einfach etwas langsamer. Aber noch immer mit Engagement und Enthusiasmus - wie bei allem, was er anpackt. «Zu Hause beinle ich immer mal wieder ein Kaninchen aus. Für meinen Chüngelirollbraten bin ich hier bekannt», schmunzelt er.
Etwas ins Rollen bringen
Das Seifenkistenderby hat mit der Entwicklung des Vereinslebens in Andwil und Arnegg zu tun. «Die Jungmannschaft und die Kongri waren weitherum bekannt für ihre Theateraufführungen», erzählt Frei. Die steigende Qualität, die zunehmende Professionalisierung sowie das Fehlen vereinsinterner Theaterspieler habe aber dazu geführt, dass sich die besonders Theaterbegeisterten in einem eigenen Theaterverein organisiert hatten. Das habe zu grossen Diskussionen im alten Verein geführt. «Ein Verein muss seine Identität mit Auftritten in der Öffentlichkeit spürbar machen. Ohne das Theater aber haben Jungmannschaft und Kongri ein Stück ihrer Identität verloren», sagt Frei. Dennoch findet er diese Weichenstellung für das Fortbestehen der Theatertradition in Andwil nicht nur richtig, er hat sich dafür auch stark gemacht. Und er ist überzeugt: «Hätten wir das Theater nicht abgegeben, so gäbe es heute weder das Seifenkisten-Derby noch das Open-air-Kino in Andwil-Arnegg.» Diese Anlässe brachten der Jungmannschaft und der Kongri eine neue Identität zurück. Das Rennen wurde vor zwei Jahren zusammen mit dem Blauring und der Jungwacht erstmals organisiert. «Damit», blickt Frei zurück, «wurde etwas ins Rollen gebracht.» Im wahrsten Sinne. In Andwil hat sich der Seifenkistenplausch innert kürzester Zeit zum Grossanlass entwickelt - nicht zuletzt deshalb, weil mehr als einfach Plausch und Konsum dahintersteckt. «Mit den Jugendlichen etwas zu machen, das ist der wertvollste Weg. Projektarbeit ist das A und O der Jugendseelsorge», erläutert Frei. Weit über Andwil hinaus anerkannt ist das Derby aber auch, weil es sich für einen guten Zweck engagiert. Dieses Jahr unterstützt es die Ostschweizer Sektion von Fragile Suisse, der Vereinigung für hirnverletzte Menschen. Das überzeugte auch die Miss Schweiz Jennifer Ann Gerber, am Prominentenrennen an den Start zu gehen, ebenso wie den dreifachen Schützenweltmeister Marcel Bürge, Mister und Miss Ostschweiz, den Gemeindepräsidenten von Andwil und den Stadtpräsidenten von Gossau oder den Olma-Direktor. Die vielen Zusagen von Prominenten waren für Frei die Überraschung des Jahres. Die Kontakte mit den Promis seien für ihn zudem sehr spannend gewesen, er habe Einblick in ein fremdes Business gewonnen, sich manchmal aber auch lachend gesagt: «Du, Frei, du bist ja eine Prominenten-Vermittlungs-Agentur geworden!»
Ersatzrad und Lenkrad
Sein Hauptjob blieb die Kirche. «Mit dem Fest will ich gute Jugendarbeit machen, die nicht bei Theorien und Worten stehen bleibt», sagt er. Der Anlass soll in Andwil etwas bewegen und die Dorfgemeinschaft fördern. «Für mich ist das Seifenkistenrennen in erster Linie ein Pfarreifest, da die Trägervereine Jugendvereine unserer Pfarrei sind. Am Anfang steht denn auch ein Gottesdienst, da haben wir eine Seifenkiste im Chorraum und fragen uns, was sie uns als Symbol für das Glaubensleben zu sagen hat.» Dann erzählt er das Gleichnis, wonach manche Menschen den Glauben wie ein Ersatzrad benutzen: Wenn in ihrem Leben ein Unglück komme, dann denken sie, jetzt müsse der Glaube sofort helfen. In Wirklichkeit aber sei der Glaube nicht das Ersatzrad, sondern das Lenkrad.   Beda Hanimann
Porträt
ist in Widnau aufgewachsen und seit 1996 als Pastoralassistent in der Pfarrei St. Otmar in Andwil-Arnegg tätig. Dort amtet er auch als OK-Präsident des Seifenkisten-Derbys vom 25. August, welches von drei Jugendvereinen organisiert wird.
Tagblatt Medien
Montag, 19. August 2002
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